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11.05.05Gemeinsames Rahmenkonzept zur sonderpädagogischen Förderung in der Zentralschweiz
Das sonderpädagogische Angebot ist in den letzten 20 Jahren stark gewachsen. Dies hat zu einer wesentlichen Verbesserung der Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung oder besonderen Bildungsbedürfnissen geführt. Die Entwicklungen im Fachgebiet der Sonderpädagogik sowie der Gesellschaft und nicht zuletzt die Veränderungen der gesetzlichen Grundlagen auf eidgenössischer Ebene (NFA, Behindertengleichstellungsgesetz) erfordern eine Anpassung des sonderpädagogischen Angebots. Die Bildungsdirektoren der Zentralschweiz wollen diese Anpassungen auf der Grundlage eines gemeinsamen Rahmenkonzepts einleiten, welches in den nächsten Tagen in die Vernehmlassung geht.
Die Bildungsdirektoren-Konferenz Zentralschweiz (BKZ) hat am 31. Mai 2002 ein koordiniertes Konzept für die gesamte sonderpädagogische Förderung in der Bildungsregion Zentralschweiz in Auftrag gegeben. Der Auftrag wurde in Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe aus Vertretern der Schweizerischen Zentralstelle für Heilpädagogik sowie der Konferenz der kantonalen Sonderschulverantwortlichen der Zentralschweiz realisiert. Die Bildungsdirektoren-Konferenz Zentralschweiz hat nun das Rahmenkonzept zur sonderpädagogischen Förderung in der Zentralschweiz zur Vernehmlassung freigegeben.
Inhaltliche Eckwerte des Rahmenkonzepts
Aus der Sicht der Chancengleichheit aller Menschen geht das Konzept für eine künftige sonderpädagogische Förderung von folgenden Rahmenbedingungen aus:
- Integration und Normalisierungsprinzip: Eine gemeinsame Schulung möglichst aller Kinder und Jungendlicher in der Regelschule soll angestrebt werden. Das so genannte Normalisierungsprinzip fordert, dass Lernende unabhängig von ihren Bedürfnissen in einem möglichst normalen Kontext unterrichtet, gebildet und erzogen werden.
- Bildungsbedürfnisse statt Defizite: Anstelle eines medizinischen Verständnisses von Behinderung wird neu vom Potential der Lernenden und nicht von den Defiziten ausgegangen. Das sonderpädagogische Angebot richtet sich demnach an einem pädagogischen Verständnis von besonderen Bildungsbedürfnissen und von Behinderung aus.
- Wohnortnahe Sonderschulung: Nach Möglichkeit wird eine wohnortnahe, dezentrale Ausgestaltung der Sonderschulung angestrebt.
- Die Schulung von Lernenden mit ausgeprägten besonderen Bildungsbedürfnissen kann sowohl in einer Sonderschule als auch integriert im Rahmen der Regelschule erfolgen.
- Die pädagogische Verantwortung liegt primär bei der Schule der Wohnortgemeinde. Administrativ wird ein Schüler oder eine Schülerin immer von der Schule der Wohnortgemeinde geführt, auch wenn er/sie eine externe Sonderschule besucht. Die Massnahmen sind zeitlich begrenzt und werden regelmässig überprüft.
- Neupositionierung der Sonderschulen: Die Sonderschulen sollen sich zu regionalen Kompetenzzentren entwickeln, welche sowohl eine eigene Sonderschule umfassen als auch Unterstützungs- und Begleitmassnahmen für integrierte Lernende vor Ort anbieten. Die Kompetenzen werden dort gepflegt, weiterentwickelt und wohnortnah verfügbar gemacht.
Zweistufiges Modell der Finanzierung
Mit der Neugestaltung des Finanzausgleiches und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) fallen künftig die Finanzbeiträge der Invalidenversicherung (IV) an die Sonderschulung weg. Dies zwingt die Kantone, die Finanzierungswege zu überprüfen und anzupassen.
Für die Finanzierung und Steuerung des sonderpädagogischen Angebots wird zwischen niederschwelligen und hochschwelligen Angeboten unterschieden. Zu den niederschwelligen Angeboten gehören die ambulanten Förderangebote wie die integrative Förderung (IF) oder schulische Angebote (Begabungsförderung). Für solche Angebote, die im Rahmen der Schule angeboten werden, sollen Pensenpools zur Verfügung stehen, welche abhängig von der Schülerzahl und einfach objektivierbaren Bedarfsindikatoren der Schulen bestimmt werden. Die Zuweisung erfolgt durch die Schulen oder Gemeinden selber und stützt sich primär auf die Erfahrungen und das Wissen der sonderpädagogischen Fachlehrkräfte ab.
Die hochschwelligen Angebote entsprechen der Sonderschulung. Bei solchen Angeboten wird die Finanzierung auch weiterhin durch eine individuelle Zuweisung ausgelöst. Die Finanzierung ist jedoch nicht mehr an den Durchführungsort Sonderschule gebunden. Die hochschwelligen Angebote sollen nach diesem Konzept durch die Kantone finanziert werden, wobei sich die Gemeinden mit einem Sockelbeitrag an der Finanzierung beteiligen sollen, der etwa den Kosten der Regelschulung entspricht. Dadurch sollen bei den Gemeinden falsche finanzielle Anreize für eine Zuweisung zu einer Sonderschule vermieden werden.
Im Gegensatz zu den bisherigen Zuweisungsverfahren liegt also neu sowohl die finanzielle als auch die pädagogische Verantwortung bei der jeweiligen Schulgemeinde. Somit werden bewusste Zuweisungen durch die Schulen die Regel. Zusätzlich haben die Gemeinden durch diese Differenzierung auch die Verantwortung für vergleichsweise weniger aufwändige und von der Schule besser beeinflussbare sonderpädagogische Angebote.
Kooperation in der Zentralschweiz
Die im Rahmenkonzept festgehaltenen Rahmenbedingungen erfordern eine Verstärkung der Kooperation in der Zentralschweiz. Diese soll in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise der Ausbildung des Fachpersonals, der Planung, Bereitstellung und Abgeltung des Angebots, der Entwicklung von neuen Verfahren und Instrumenten oder bei der Umsetzung von Reformen erfolgen. Eine regionale Zusammenarbeit kann aus mehreren Gründen als gewinnbringend erachtet werden. In der Zentralschweiz besteht bereits heute ein reger Austausch von Sonderschülerinnen und Sonderschülern zwischen den Kantonen. Zudem wird in einigen Kantonen aufgrund der geringen Siedlungsdichte die kritische Grösse, welche es für eigenes umfassendes sonderpädagogisches Angebot braucht, nicht erreicht. Die regionale Zusammenarbeit soll solche Probleme lösen, die Professionalität unterstützen und die Qualität steigern.
Kontaktperson für Rückfragen:
Dr. Christoph Mylaeus-Renggli, Regionalsekretär BKZ, Telefon 041 226 00 63
Weitere Informationen unter: www.bildung-z.ch